I LOVE HORSES

von Merle Zurawski nach Motiven von Heinrich von Kleist

(genau wie michael kohlhaas)

SCHAUSPIEL STUTTGART (2025)

Foto: Björn Klein
Foto: Björn Klein

„An den Ufern der Havel lebte, um die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts, ein Roßhändler, namens Michael Kohlhaas. – Dieser außerordentliche Mann würde, bis in sein dreißigstes Jahr für das Muster eines guten Staatsbürgers haben gelten können, wenn er in einer Tugend nicht ausgeschweift hätte. Das Rechtgefühl aber machte ihn zum Räuber und Mörder.“

Der Typus des einsam reitenden Helden in Heinrich von Kleists Novelle scheint zwar sachte angestaubt, doch eröffnet er gleichzeitig den Raum für eine gemeinsame Suche nach Gerechtigkeit in einem korrupten System. Denn manchen ist es bis heute nicht vergönnt, ihren gekränkten Rechtsanspruch in den klassischen Kanon einzuschreiben. Sofern sie überhaupt vorkommen, sind ihnen die Nebenfiguren vorbehalten, die tragisch an der Heldenfigur scheitern. Ihre eigene Wut bleibt ungehört, darf sich nicht ausbreiten, keine Brände legen oder Rache fordern.

Und so erobert sich ein Chor von Pferdemädchen* die Koppel zurück und schwingt sich zu Kohlhaas aufs Pferd. Nimmt sich seines Narrativs an, reißt es in Stücke und stopft die Fetzen in seine Satteltasche. Sie zelebrieren Wut als emanzipatorischen Akt, das versöhnliche Potenzial des Linedance und das solidarische Moment der Herde. Auf der Suche nach neuen Erzählungen imaginieren sie auf grünem Kunstrasen lustvoll Utopien.

Regie
Merle Zurawski (they/er) Choreografie Rebecca de Toro (sie/ihr)
Es spielen
Janne Pauline Böhm (sie/ihr)
Trigal Sandberger Cañas (sie/ihr)
Adriana Fernandez Falso (sie/ihr)
Dramaturgie
Jana Riese (sie/ihr) Philipp Schulze (er/ihm)
Bühne Nele Schiller Kostüm
Kathrin Frech (sie/ihr)
Video
Maja Litzke (się/ihr)
Musik Dmitry Klenin (er/ihm) Sounddesign
Cäcilie Willkommen (sie/ihr)
Licht
Michael Frank (er/ihm)
Premiere: 18.01.2025

Schauspiel Stuttgart

Foto: Björn Klein
Foto: Björn Klein

in den worten anderer

online Merker:

"Das Stück fragt ganz deutlich nach der produktiven Kraft der Wut im Kampf um Teilhabe und demokratische Werte. Als Gegenstück zu diesem einsam reitenden Helden erscheinen die "Pferdemädchen*", die sich in suggestiver Weise der Heldenfigur und ihrer Erzählung annehmen. Merle Zurawski schafft sich eine eigene Traumversion des Stoffes, in der die jungen Frauen in poetischer Weise im Mittelpunkt stehen. (...) Es ist ein Trick der Regie, der den Zuschauer durchaus fesselt. (...) Mit dieser fantasievollen Arbeit schließt Merle Zurawski das Regiestudium an der Akademie für Darstellende Kunst Baden-Württemberg ab. Viel Schlussapplaus und „Bravo“-Rufe."

Alexander Walther

Stuttgarter Zeitung:

"Heinrich von Kleists Novelle von 1808 über einen betrogenen Pferdehändler dient als Projektionsfläche eigener Fragestellungen: Zurawski inszeniert keine werktreue Bühnenadaption, sondern lässt Janne Pauline Böhm, Adriana Fernandez Falso und Trigal Sandberger Cañas über den Gerechtigkeitsfanatiker Kohlhaas vor dem Hintergrund aktueller Machtdiskurse reflektieren. (...) Der fliegende Rollentausch ist unterhaltsam. Doch Merle Zurawski geht es weniger um den vordergründigen Spaß als um die bittere Erkenntnis, dass die Menschen - und auch Kohlhaasens geschundene Tiere - in ein unüberwindbares Konstrukt von Abhängigkeit verstrickt sind."

von Kathrin Horster

Ludwigsburger Kreiszeitung:

"Im ständigen Wechsel zwischen damals und heute, zwischen Fiktion und Realität, entfaltet sich in knapp zwei Stunden ein bunt schillerndes Kaleidoskop aus Recht und Unrecht, Solidarität und Einzelgängertum und der ständigen Suche nach Selbstbehauptung. (...) Mit ihrer Intensität gelingt es Böhm, Falso und Cañas, die aufgebaute Spannung zu halten und die Kritik an bestehenden Strukturen und sozialer Ungerechtigkeit weder abgedroschen noch zynisch klingen zu lassen. (...) Zurawski gelingt es mit Stück und Inszenierung, eine historische Thematik mit so viel Wucht in die Gegenwart zu holen und weiterzuentwickeln, dass die Handlung damit geradewegs in die Zukunft weist, umgeben von Sternenhimmel- und Pferdeprojektionen."

Meike Katrin Stein